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»Was wird von den digitalen Medien übrigbleiben?« – Book Talk mit Julia Peglow auf Vincent & Voltaire

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Dieser Book Talk erschien im November 2021 auf Vincent & Voltaire, nicht nur ein toller Online-Buchladen mit ausgewähltem Sortiment und Beiträgen, sondern eine Insel der Qualität im Netz, das so voll ist mit Trash. Hier das Buch bei Vincent & Voltaire bestellen.

»Es wird unendlich viel geschrieben in den digitalen Medien unserer Zeit, aber die Frage ist: Was wird davon übrig bleiben?« 

Julia Peglow: Designerin, Autorin & Chronistin

Liebe Julia, kannst du uns ein bisschen über dich, dein Leben und deine Arbeit erzählen?

Ich bin Julia. Ich bin Designerin, Schriftstellerin und Chronistin. Ich habe Design studiert und zwanzig Jahre lang als Beraterin und Geschäftsführerin in Branding- und UX-Agenturen in London, Berlin und München gearbeitet.

Wenn ich darüber nachdenke, lebe ich schon immer mit einem historischen Grundrauschen in meinen Gedanken. Mit einem ganz starken Bewusstsein, kein einzigartiges Individuum, sondern ein Kind meiner Zeit zu sein, das aus irgendeinem irren Zufall heraus genau in diese merkwürdige Zeit hineingeboren würde: eine verwirrende Zeit, eine Zeit voller Umbrüche.

Mit diesem Grundgefühl habe ich, seit ich 13 bin, alles dokumentiert, in Wort und Bild: Gedanken, Ideen, Begegnungen, Erkenntnisse, Geschichten, Tagesabläufe, das Leben in den Städten, das Familienleben; ich verfüge über Regale und Cloudspeicher voll mit Tagebüchern, Notizbüchern, Skizzen, Blogs und Fototagebüchern.

Erst jetzt wird mir langsam klar, welche Rolle meine Generation und ergo ich selbst spielen werden: Wir sind die Generation des Übergangs ins digitale Zeitalter. Also sehe ich es, die seit vielen Jahren alles dokumentiert, als meine Aufgabe an, genau diese Zeit des Übergangs zu beschreiben.

Es wird unendlich viel geschrieben in den digitalen Medien unserer Zeit, aber die Frage ist: Was wird davon übrig bleiben?

Ich habe für mich das Bedürfnis, die größeren Zeitläufe zu sehen, langsamer getaktete, lineare Gedankengänge zu denken, ein größeres Bild zu zeichnen. Ich versuche meine Zeit zu verstehen. Darüber schreibe ich, in meinem Blog „diary of the digital age“ und in meinem Buch „Wir Internetkinder“.

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen und was gefällt dir am besten daran? Was hast du vorher gemacht?

Was ich daran liebe, seit ich den Schritt aus dem hektischen Agenturleben getan habe, ist, dass ich jetzt endlich vertieft über Dinge nachdenken kann. Dazu hat ja in der wirtschaftlichen Welt keiner wirklich Zeit. Ich treffe andere Menschen, aus viel heterogeneren Bereichen, ich kann Menschen ganz anders begegnen, außerhalb der formalisierten Rollen, kann mich auf die Qualität der Begegnung und des Gesprächs konzentrieren. Ich spreche im Rahmen meiner Lehraufträge und beratenden Tätigkeit sowohl mit vielen Student:innen als auch Unternehmer:innen und freue mich, wenn ich ihnen helfen kann, sich neue Denkräume zu verschaffen.

Wie ist die Idee zu deinem Buch entstanden? Was mochtest du besonders am Prozess der Buchgestaltung und -veröffentlichung?

In meinem eigenen Erleben, mitten in meinem Job, um 2017 herum, habe ich bemerkt, dass da irgendetwas aus dem Ruder gerät. Dass das Tempo immer schneller wird, dass wir uns von der Technologie und den digitalen Tools nur noch treiben lassen, dass die innere Qualität und der eigentliche innere Sinn dessen, was wir das tun, verloren gehen. Ich habe angefangen, darüber nachzudenken, habe viel dazu in meine Tagebücher notiert und den Blog „diary of the digital age“ gestartet, und habe viele Rückmeldungen erhalten. Mein Buch „Wir Internetkinder“ ist aus dem Blog heraus entstanden. Es ist ein erzählerisches Sachbuch mit großer Sogwirkung, das die Leser und Leserinnen mit auf die gedanklich Reise nimmt, das Digitalzeitalter in neuem Licht zu sehen. Ich verwebe meine eigene Geschichte dabei mit viel Nachdenken und philosophischen Fragen: Welches Leben wollen wir eigentlich führen? Es serviert nicht fertige Weisheiten, sondern wir gehen den Weg der Erkenntnis gemeinsam.

Wer inspiriert dich? Und warum?

Susan Sontag! Ich liebe ihren Essay „On Photography“, er ist aus den 1970er Jahren und absolut visionär. Unser Leben, unsere Arbeit und der öffentliche Diskurs sind viel zu sehr durch Wirtschaftsvertreter und Technokraten geprägt. Ich finde, wir brauchen wieder mehr solche kritischen Denker:innen, Philosoph:innen und Geisteswissenschaftler:innen.

Was bedeuten Bücher für dich?

Bücher sind für mich das Medium, das am besten dazu geeignet ist, sich mit Dingen auf einer tieferen Ebene auseinander zu setzen, und zwar auf beiden Seiten: auf Seiten der Autor:in, wie der Leser:in. Bücher helfen uns im Digitalzeitalter, nicht unterzugehen im Information Overload, Social Media, und überbordendem News-Konsum im Netz – sie sind ein Hort der Wahrheit und Weisheit.

Ich bin der totale Sachbuch Addict. Gerade beschäftige ich mich intensiv mit den Büchern von Nassim Taleb. Er schreibt über Chaostheorie und die zunehmende Unvorhersehrbarkeit der Welt – und wie wir damit umgehen. Habe erst „Der Schwarze Schwan“ gelesen, ein Buch, das mir die Kinnlade runterfallen ließ. Jetzt bin ich dabei, seinen gesamtes, fünfbändiges Werk „Incerto“ durchzuarbeiten.

Meine Bücher kaufe ich im Buchhandel. Ich habe eine Buchhändlerin meines Vertrauens, Regina Moths in München. Meine Traumbuchhandlung im Netz sieht aus wie Vincent&Voltaire. Das Netz ist so voll Trash, aber Eure Auswahl und Buchpräsentation ist eine Insel der Qualität. Ich bin sicher, dass Ihr damit genau den Menschenschlag anzieht, der danach auf der Suche ist.

Wir Internetkinder

Vom Surfen auf der Exponentialkurve der Digitalisierung
und dem Riss in der Wirklichkeit einer Generation

Verlag Hermann Schmidt, Mainz
ISBN 978-3-87439-946-3
304 Seiten, Format 15 x 22 cm, Flexcover
29,80 €
(enthält 7% reduzierte MwSt.)

Du kannst dein Exemplar direkt online bei Vincent & Voltaire bestellen, beim Verlag Hermann Schmidt oder überall im Buchhandel (z.B. beim Buchladen meines Vertrauens, Literatur Moths).